Filming Science

07.10.2013

Die Architektin < zurück

Das ICC, eines der modernsten und erfolgreichsten Kongresshäuser der Welt, steht vor dem Aus. Am 6. März 2014 wird das Zentrum ein letztes Mal für die Reisemesse ITB eröffnet. Das Gebäude ist dringend sanierungsbedürftig, doch wer sollte dort investieren? Es droht das Schicksal als Bauruine. Traurige Aussichten, die Ursulina Schüler-Witte auf die Palme bringen: „Ich könnte nen Mord begehen!“ Die selbstbewusste 80jährige Architektin hat den Kampf um den Erhalt des Kongreß-zentrums aufgenommen. Denn, was nur wenige wissen, Schüler-Witte besitzt das Urheberrecht am ICC. Ohne ihre persönliche Zustimmung, dürfen keine Veränderungen am Gebäude vorgenommen werden. Sie war es, die gemeinsam mit ihrem Mann Ralf Schüler das vielleicht umstrittenste Bauwerk Westberlins entworfen hatte. Er war der geniale Ingenieur, sie die pragmatische  Architektin, die den Visionen ihres Mannes den Weg bereitete. Heute, drei Jahre nach seinem Tod, ist Ursulina Schüler-Witte die „Alleinerbin“ dieses kolossalen Gebäudes. 1979 wurde es mit höchsten Weihen eröffnet, durch ein Konzert der Berliner Philharmoniker unter Herbert Karajan. Nach wie vor hält das preisgekrönte Zentrum viele Rekorde im Messebau. Von Denkmalschützern wird es als die baukulturelle Visitenkarte Berlins verehrt. - Ein Gebäude für die Massen auf der einen Seite, eine einzelne Künstlerpersönlichkeit auf der anderen – ein schöner Gegensatz für einen neuen Architekturfilm.

Als ich die Dame besuche, steckt sie gerade mitten in ihrer „werkgebundenen Biografie“. Allein in ihrer abenteuerlich eingerichteten Wohnung zwischen Modellflugzeugen und Schlachtschiffen schreibt sie diszipliniert ihre Erinnerungen an die gemeinsame Arbeit nieder. Kompromisslos verteidigt sie ihre Art zu bauen, ihr Architekturverständnis. Ursulina Schüler-Witte argumentiert längst nicht nur für das ICC, sondern für den „Bierpinsel“, den U-Bahnhof Schlossstraße, auch für solche Bauprojekte, die weniger bekannt sind. Es geht ihr um ihre künstlerische Existenz, ihr Lebens-werk. Aus ihr spricht das 20. Jahrhundert. Es sind spannende Geschichten, die sie, da ihr Buch noch nicht publiziert ist, nie ganz zu Ende erzählt: der Wettkampf zwischen dem ICC und dem Palast der Republik um die Vormachtstellung der politischen Systeme. Der Hass der Neuen Heimat, dem Generalunternehmer des ICC, auf die architektonischen Sonderlinge. Auch das Kuriosum, dass sie vor dem ICC noch nie selbst ein Haus gebaut hatten!