Filming Science

19.11.2015

Über Tierversuche sprechen < back

Tierversuche filmisch darzustellen, ist anspruchsvoll und grenzwertig. Ich habe mich gefragt, wie ich dieser Herausforderung begegnen soll und ob ich sie überhaupt annehme. Dass es sich dabei um biomedizinische Forschung in der Leibniz Gemeinschaft handelt, macht die Sache keineswegs leichter. Gerade die Grundlagenforschung ist bei Tierschutzgegnern besonders umstritten, wird sie doch als Hybris des Menschen betrachtet, hinter der in erster Linie eitle Forscherneugier steht. Die Bilder von implantierten und infizierten Rhesusaffen, die in ihren Käfigen qualvoll dahinsiechen, scheinen dies nur zu bestätigen. Also wofür das Ganze?

Ich habe mich entschlossen, mit diesem Projekt besser zu verstehen, was dort eigentlich genau passiert und wie Tierversuche im Forschungszusammenhang geregelt werden. Mein Anspruch: einen möglichst ehrlichen Einblick in die tierexperimentelle Forschung geben. Mein Ansatz: die Forscherinnen und Forscher sollen selber zu Wort kommen. Um im Medium Film aber überhaupt glaubwürdig zu sein, reicht es natürlich nicht aus über Tierversuche zu sprechen, man muss sie auch zeigen. – Nur wieweit? Darüber gab es ständige Diskussionen während der Dreharbeiten, sowie im Schnitt. Was kann man zeigen, was sagen, ohne zu erschrecken oder voyeuristisch zu sein? Was muss man auf jeden Fall sagen und zeigen, ohne nicht von vornherein seine Glaubwürdigkeit einzubüßen?

In der Mehrzahl der sechs Forscherportraits hat das für mich funktioniert, eine bestehende gesellschaftliche Praxis etwas transparenter zu machen. Die Stimme der Forschung überhaupt hörbar zu machen, so dass jemand diese Position besser versteht und sich seine eigene Meinung bilden kann. Ohne hier das für und wider von Tierversuchen auszubreiten: Es ist es unsere gesellschaftliche Realität, dass wir Tiere nutzen und wie wir sie nutzen. An die 800 Millionen Tiere werden in Deutschland jährlich für den menschlichen Verzehr geschlachtet. Dieser monströsen Zahl stehen drei Millionen Tierversuche gegenüber, ein kleinerer Anteil davon geht auf das Konto der biomedizinischen Forschung. Lediglich 0,1 % davon sind Versuche mit Affen, Mäuseexperimente dominieren. Dem Bemühen, Tierversuche durch alternative Verfahren wie Gewebekulturen zu reduzieren, stehen neue Möglichkeiten durch revolutionäre Gentechniken gegenüber.

Vieles spricht dafür, dass die Versuchszahlen konstant bleiben oder gar noch steigen werden. Denn auch hinter „Designer-Tieren“ wie den Knockout Mäusen stehen wirtschaftliche Interessen und eine Industrie. – Für die, die den Tiernutzen nicht rundweg ablehnen, bleibt das ethische Dilemma jedenfalls immer bestehen: für die Ernährung und die Gesundheit des Menschen müssen Tiere sterben. Wie sie aber leben, bevor sie sterben, wie sie gehalten und behandelt werden, ob im Stall oder im Labor, das ist die entscheidende Frage.